3 UF 70/14
92 F 493/13
Amtsgericht Bad Homburg v.d.H.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
BESCHLUSS
In der Familiensache
betreffend die elterliche Sorge für
Tabea Lara R i e k
an der beteiligt sind:
1. Tabea Lara Riek,
geb. am 19.09.2000,
Betroffene,
2. Verfahrensbeistand: Ulrich Ames,
Wiesenstr. 16, 61462 Königstein,
3. Maximilian Bähring,
Hölderlinstr. 4, 60316 Frankfurt am Main,
Antragsteller und Beschwerdeführer,
4. Uta Riek,
Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin Dagmar Asfour,
Antragsgegnerin Castillostra?e 16, 61348 Bad Homburgv.d.H.,
Geschäftszeichen: 338/13AO2 -
5. zuständiges Jugendamt:
Stadtjugendamt Bad Homburg,
Rathausplatz 1, 61343 Bad Homburg,
Geschäftszeichen: 50.3.1.5658.50.001,
Beschluss mit vollem Rubrum (EU_UB_00.dot)
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hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main
durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. F r i t z ,
Richter am Oberlandesgericht R e i t z m a n n
und Richterin am Oberlandesgericht K u m m e r - S i c k s
am 15.Dezember 2014
b e s c h l o s s e n:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss
des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Homburg vom 23.1.2014
wird zurückgewiesen.
Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers gegen Richter am
Oberlandesgericht Reitzmann sowie die Richterinnen am Oberlan-
desgericht Knauth und Kummer-Sicks wird zurückgewiesen.
Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen;
außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,? ? festgesetzt.
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G r ü n d e :
l.
Der Antragsteller ist der Vater des am 19.9.2000 geborenen Kindes Tabea Lara Riek. Die Kindeseitern sind und waren nicht miteinander verheiratet. Zwischen den Kindeseltern bestand eine Beziehung in den Jahren 1999/2000. Noch vor der Geburt der gemeinsamen Tochter kam es zur Trennung der Eltern. Der Antragsteller hatte nur kurz nach der Geburt stundenweise Kontakt mit seiner Tochter. Ein von ihm nach Feststellung der Vaterschaft eingeleitetes Umgangsverfahren hat er zurückgenommen, da ?so sein Vortrag- die Kindesmutter massiven Druck ausgeübt habe.
Mit
dem vorliegenden Verfahren begehrt der Kindesvater die gemeinsame
elterliche Sorge nach § 1626 a BGB, basierend auf der Gesetzesänderung.
Sein Antrag datiert vom 19.3.2013. Der Vater hat Bedenken an der
Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter, da sie und die Großmutter
mütterlicherseits Mitglieder der sogenannten ?Reiki-Sekte? seien. Zudem
habe die Kindesmutter Kontakt zu einem Mann gehabt, welcher auf
ungeklärte Weise ums Leben gekommen sei und der der sogenannten
Sado-Maso-Szene angehört haben soll. Der Kindesvater vertritt insofern
die Auffassung, dass die Kindesmutter dieses Sexualverhalten, einmal
ausgeübt, beibehalte und sich hieraus sowie auch aus ihrer
Sektenzugehörigkeit Nachteile für seine Tochter ergeben würden. Das
Amtsgericht hat Tabea Lara Riek am 4.11.2013 angehört. Zu den
Einzelheiten der Anhörung wird auf den ?Vermerk vom 4.11.2013 (Bl. 207
d.A.) Bezug genommen. Die übrigen Verfahrens-
beteiligten, mit
Ausnahme des Antragstellers. wurden im Termin am 13.11.2013 angehört.
Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf Bl. 222 ff d.A.
verwiesen. Der Antragsteller solltejm Wege der Rechtshilfe in der
psychiatrischen Klinik - Haina angehört werden, was aber von diesem
aufgrund der dort gegebenen Umstände abgelehnt wurde.
Mit Beschluss vom 23.1.2014 hat das Amtsgericht den Antrag des Vaters auf gemeinsame elterliche Sorge zurückgewiesen. Dazu hat das Amtsgericht ausgeführt,
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dass eine gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht entspreche. Zwi-
schen
den Eltern bestehe nicht die erforderliche Kooperations- und
Kommunikationsbasis. Eine Verbesserung sei hier nicht zu erwarten. Der
Kindsvater diffamiere und bedrohe die Mutter und alle
Verfahrensbeteiligten und müsse sich erst psychiatrisch behandeln
lassen. Zu den weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird
auf den Beschluss vom 23.1.2014 (Bl. 421 fd.A.) verwiesen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Kindesvaters, mit welcher er nunmehr die Übertragung des Sorgerechts auf sich allein in den Bereichen Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmungsrecht und Religionsausübung begehre, hilfsweise die gemeinsame elterliche Sorge. Zur Begründung bezieht sich der Antragsteller auf die bereits genannten Gefährdungsgesichtspunkte sowie auch auf eine mangelnde Bindungstoleranz der Kindesmutter. So hat der Antragsteller auch mehrfach vom Jugendamt Bad Homburg v.d.H? verlangt, die Tochter Tabea Lara Riek sofort aus dem Haushalt der Kindesmutter, dass er als für sie schädliches Umfeld bezeichnet, herauszunehmen. Mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 8.5.2014 wurden die Verfahrensbeteiligten darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtige, über die Beschwerde ohne mündliche Anhörung und Erörterung gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG zu entscheiden. Nach weiteren Stellungnahmen des Kindesvaters, in denen er u.a. darauf hinweist, dass eine Anhörung erster lnstanz im Zuge der psychiatrischen Unterbringung unzumutbar gewesen sei, hat der Senat Termin zur Anhörung des Antragstellers bestimmt und diesen in der Sitzung vom 21.10.2014 angehört. Zu den Einzelheiten dieser Anhörung wird auf das Protokoll vom 21 .10.2014 Bezug genommen.
Bereits zuvor hat der Antragsteller mehrfach den Senat bzw. einzelne Mitglieder
des
Senats wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zu den
Einzelheiten wird auf die Beschlüsse vom 06.06.2014 (Bl. 709 f d.A.) und
vom 29.9.2014 (Bl. 1068 fd.A.) Bezug genommen. Neuerlichen
Ablehnungsantrag stellte der Antragsteller mit Schreiben vom 8.10.2014
gegen die Richter am Oberlandesgericht Reitzmann, Knauth und
Kummer-Sicks.
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Ergänzend wird hinsichtlich des Sach- und Streitstands auf die erstinstanzlich und zweitinstanzlich durchgeführten Anhörungen, die Stellungnahmen und Berichte des Jugendamtes und des Verfahrensbeistandes, die Eingaben der Beteiligten sowie den übrigen Inhalt der Akten Bezug genommen.
lI.
Der Senat konnte die Anhörung des Antragsgegners und die vorliegende Ent-
scheidung
in der aus dem Beschlusseingang ersichtlichen Besetzung vornehmen, da
die Ablehnungsgesuche gegen Richter am Oberlandesgericht Reitzmann und
die Richterinnen am Oberlandesgericht Kummer-Sicks und Knauth als
unzulässig zurückzuweisen waren. Soweit der Antragsteller den Richter am
Oberlandesgericht Reitzmann wiederholt und die Richterin am
Oberlandesgericht Kummer-Sicks pauschal abgelehnt hat, ist dies
rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich (vgl. BGH vom 4.2.2002, AZ:
II ARZ 1/01, NJW-RR 2002, 789). Der Antragsteller hat nicht vorgetragen,
welche Verhaltensweisen der abgelehnten Richter zur Besorgnis der
Befangenheit Anlass geben. Soweit der Antragsteller erneut eine
Verzögerung des Verfahrensfortgangs rügt? geht dies fehl, da
zwischenzeitlich keinerlei Handlungen der abgelehnten Richter erfolgt
sind, welche auf den zeitlichen Ablauf des Verfahrens irgendeinen
Einfluss genommen hätten. Insbesondere wurde der bereits zuvor
anberaumte Termin zur Anhörung des Antragstellers nicht verschoben. Eine
von dem Antragsteller vorgetragene Strafanzeige wegen des Verdachts der
Rechtsbeugung gegen die abgelehnten Richter ist hier unbekannt und läßt
keinerlei Tatsachen erkennen.
In der Sache selbst ist das Begehren des Antragstellers als zulässige Beschwerde nach § 58 FamFG auszulegen und als solche statthaft und zulässig, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen zur Übertragung der elterlichen Sorge in Teilbereichen auf den Antragsteller allein oder die Einräu-
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mung der gemeinsamen elterlichen Sorge von ihm und der Kindesmutter gemäß 1626 a BGB liegen nicht vor.
Eine Übertragung von Teilbereichen der elterlichen Sorge auf den Vater allein ist weder zur Abwendung von Gefahren für das Kindeswohl noch aus anderen Gründen geboten.
Der Antragsteller hat keinerlei Umstände vorgetragen, noch ergeben sich solche von den übrigen Verfahrensbeteiligten oder aus dem Inhalt der Akte, die dafür sprechen, dass eine Gefährdung des Wohls des Kindes Tabea Lara im Haushalt der Kindesmutter gegeben ist. Soweit sich der Antragsteller zur diesbezüglichen Begründung auf die Mitgliedschaft der Kindesmutter in der ?Reiki-Sekte? beruft ergibt sich aus dem lnhalt der Akten, dass die Tochter im Falle von Krankheiten bisher schulmedizinisch versorgt wurde und alle vorgeschriebenen Untersuchungen (U-Heft) durchgeführt wurden. Das Jugendamt hat hier entsprechende Ermittlungen eingeholt, welche im Ergebnis nicht zu beanstanden sind.
Auch wenn die Kindesmutter in der Vergangenheit und/?oder auch noch gegenwärtig BDSM-Sexualpraktiken ausüben sollte, spricht dies nicht allein dafür, dass ein Mangel an Erziehungsfähigkeit oder eine Gefahr für das Wohl des minderjährigen Kindes besteht?.
Die sexuellen Neigungen auch zum Sadomasochismus stehen einer Erziehungs
fähigkeit nicht generell entgegen. Die sexuelle Ausrichtung eines Elternteils ist
grundsätzlich
seine Privatsache, es sei denn, sie hat negative Auswirkungen auf das
Kind (Salzgeber FamRZ 1995, 1311). Die sexuelle Veranlagung eines
Elternteils ist für sich allein genommen keine Disqualifikation als
Sorgerechtsinhaber. Beurteilung von Lebenswandel und Moral sind
ebenfalls immer nur in ihren Auswirkungen auf das Kind zu beurteilen.
Auswirkungen auf das Kindeswohl hat immer nur konkretes Verhalten eines
Elternteils (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2006, 1697 f).
Ungeachtet der Frage, ob die Kindesmutter tatsächlich solche Sexualpraktiken
ausgeübt
hat oder gegenwärtig noch ausübt, ist jedenfalls kein Anhaltspunkt
ersichtlich oder vorgetragen, wonach dies irgendwelche Auswirkungen auf
das Kind
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hätte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass das Kind mit einem irgendwie gearteten Sexualverhalten der Kindesmutter überhaupt in Kontakt gekommen oder hiervon Kenntnis erhalten hat.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass seitens des Senats keine Zweifel an der Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter bestehen. insbesondere ergeben sich keine Anhaltspunkte für Entwicklungsdefizite des Kindes. Solche wurden weder durch den Verfahrensbeistand noch das Jugendamt festgestellt.
Da das Kind sich seit der Geburt im Haushalt der Mutter befindet und von dieser versorgt wird, spricht bereits der Kontinuitätsgrundsatz dafür, diese Lebenssituatih on des Kindes beizubehalten.
Damit kommt auch die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der
Gesundheitsfürsorge
auf den Kindesvater allein aus Kindeswohlaspekten nicht in Betracht.
Zudem entspricht dies auch nicht dem von Tabea geäußerten Willen, der
darauf beruht, dass sie den Vater gar nicht kennt. Dem Wohl von Tabea
entspricht eine Herausnahme aus dem mütterlichen Haushalt nicht. Im
Hinblick auf die religiöse Erziehung ist zudem festzustellen, dass Tabea
seit September diesen Jahres (14. Geburtstag) ohnehin selbst über ihr
religiöses Bekenntnis bestimmen kann.
Es war dem Vater auch die von ihm beantragte gemeinsame elterlichen Sorge
nicht einzuräumen.
Allein die Ablehnung einer gemeinsamen elterlichen Sorge durch die Mutter des Kindes begründet nicht die Annahme, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl widerspricht. Allerdings ist das Amtsgericht vorliegend mit zutreffenden Erwägungen davon ausgegangen, dass die Kommunikation zwischen den Eltern nachhaltig gestört ist und eine Änderung zum Besseren nicht ersichtlich ist.
Der Vater hat seit dreizehn Jahren keinerlei Kontakt zu seinem Kind. Dies bedeutet, dass er nicht nur derzeit keinen persönlichen Eindruck von Tabea hat, er hat auch keinerlei Informationen über deren Entwicklungsstand, Wünsche und Vorstellungen. Ein Austausch mit der Kindesmutter über das Kind findet seit Jahren
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nicht statt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Mutter in absehbarer Zeit mit dem Vater in einen Austausch treten könnte. Durch seine herabwürdigenden schriftlichen Äußerungen, Beleidigungen, Strafanzeigen, Anträge auf Unterbringung in psychiatrischen Einrichtungen gegen sie und andere Verfahrensbeteiligte, zeigt der Kindesvater vielmehr eindrucksvoll, dass er zu einer echten Kooperation im ? Sinne des Kindeswohls derzeit nicht willens oder in der Lage ist.
So hat auch Tabea Lara Riek in ihrer Anhörung nachvollziehbar dargelegt, dass sie nicht wolle, dass der Vater das Sorgerecht für sie mit inne habe, da er sie ja doch gar nicht kenne. Auch die Äußerung des Kindesvaters anlässlich der Anhörung vor dem Oberlandesgericht, dass er erwäge ? im worst case-Lara Tabea in ein Internat zu bringen, zeigt, ebenso wie seine erste Reaktion auf den angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts in seinem Schreiben vom 13.2.2014, wonach er es für geboten erachtet, stets die gegenteilige Position zu Kindesmutter zu vertreten und durchzusetzen, dass der Vater in seinem Kampf um die rechtlichen Positionen -hier das Sorgerecht- verhaftet ist, ohne dass ein irgendwie geartetes Einfühlungsvermögen für sein Kind ersichtlich wäre. Entsprechend seiner eigenen Angaben befindet sich der Antragsteller insoweit im ?Kriegszustand? und will auch seinerseits nicht mit der Mutter kooperieren. Er ist verletzt darüber, dass ihm als Mann und Vater nicht per se das Sorgerecht gemeinsam zusteht und unzufrieden mit der Gesetzeslage.
Der Senat hat großes Verständnis dafür, dass der Antragsteller sich um seine
Tochter
Sorgen macht. Zumal er sich nicht durch regelmäßigen Kontakt von ihrem
Wohlergehen selbst überzeugen kann. Auch wird die Misslichkeit der Lage
des Kindesvaters und der unglückliche Verlauf des Geschehens seit der
Geburt des Kindes gesehen, allerdings hat sich das Sorgerecht allein am
Wohl des Kindes zu orientieren. Es ist kein Instrument, mit dem der
Staat Eltern für ihr Verhalten ?belohnt oder bestraft?.
Zur Kindesmutter besteht keine tragfähige Beziehung, die ein kooperatives Zu-
sammenwirken im Interesse des Kindes erwarten lässt. Die Kindesmutter war
nach dem Bericht des Jugendamts aufgrund der Vorfälle der letzten Jahre auch
nicht bereit, sich auf Beratung einzulassen. Die seitenweisen Eingaben des An-
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tragstellers beschäftigen sich im Wesentlichen auch nicht mit seiner Tochter, sondern mit Schilderungen über Verfolgung, Körperverletzung und andere Straftaten zu seinem Nachteil sowie Beleidigungen gegenüber Jugendamt, Behörden und Gerichten. Ferner wird das politische Tagesgeschehen, Sendungen, Filme und Bücher aufgearbeitet. Angesichts dieser Situation lässt sich eine gemeinsame elterliche Sorge auf der Basis der derzeitigen Kommunikationsebene der Kindeseltern und der völligen Entfremdung des Kindes rein tatsächlich nicht darstellen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 81, 83 FamFG? 45 FamGKG.
Dr. Fritz Reitzmann Kummer-Sicks
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Richter am Oberlandesgericht Richterin am Oberlandesgericht